Kleine Kinder spielen in einer Kita-Gruppe, eine Erzieherin betreut sie.

Das wäre der Idealfall in einer Kindertagesstätte: Erzieher und Erzieherinnen kümmern sich um kleine Kitagruppen, damit sich jedes Kind unter Aufsicht frei entfalten und laufend beschäftigen kann, und es den Erwachsenen dennoch zeitgleich möglich bleibt, adäquat auf die Bedürfnisse einzelner Kinder einzugehen.

6. Juni 2023

Ob Gemeinden genügend Kitaplätze garantieren können?

KOMMUNALtopinform hat mehrere Experten befragt, die sich mit dem Thema „Kinderbetreuung“ beschäftigen und den damit zusammenhängenden Herausforderungen auseinandersetzen müssen.

Wohin mit den Kleinen? Diese Frage stellen sich immer mehr Eltern. Nicht wenige träumen von Familienzuwachs und verschieben ihn, weil sie nicht wissen, wie sie in Zukunft Beruf und Kinderbetreuung unter einen Hut bringen sollen. Laut einer Untersuchung der Bertelsmann Stiftung fehlen im Jahr 2023 bundesweit 383.000 Plätze. Dabei mangelt es oft gar nicht an Platz, Geld oder gutem Willen – es fehlt an Personal.

 

Insgesamt müssten bundesweit über 90.000 neue Betreuungsstellen besetzt werden. Erst dann wäre der Bedarf gedeckt. Besonders kleinere Gemeinden tun sich schwer, die gesetzlich vorgegebenen Rahmenbedingungen zu erfüllen.
Was könnte man dagegen tun? Drei Experten haben sich zu dieser Frage geäußert. Bettina Stäb, Leiterin der Stabsstelle „Frühkindliche Bildung und Soziales“ beim Gemeindetag Baden-Württemberg, ist eine von ihnen.

 

Der Fachkräftemangel wird noch lange anhalten

Portrait Bettina Stäb

Bettina Stäb ist Leiterin der Stabsstelle „Frühkindliche Bildung und Soziales“ beim Gemeindetag Baden-Württemberg.

Bettina Stäb: „Daher fordern wir für Träger mehr Handlungsoptionen.“

„Die Zahl der betreuten Kinder in den Kindertageseinrichtungen in Baden-Württemberg nahm in den letzten fünfzehn Jahren um rund 20 Prozent zu. Dieser Zuwachs bezieht sich sowohl auf die Altersgruppe der unter dreijährigen Kinder als auch auf die Drei- bis Sechsjährigen und die Schulkinder, die in Kitas betreut werden. Hinzu kommen die Ausweitungen der Öffnungszeiten und der Ausbau der Ganztagsbetreuung.

Die Kommunen haben in den letzten Jahren viele Anstrengungen unternommen und auch viel Geld in die Hand genommen, um den Ausbau der Betreuung voranzubringen, die Qualität der Einrichtungen weiterzuentwickeln, und zur Attraktivität des Berufsfeldes beigetragen. Seit 2007 hat sich die Zahl der in Kitas tätigen pädagogischen Fachkräfte mehr als verdoppelt. Die Zahl der Auszubildenden für den Erzieherinnenberuf hat sich in derselben Zeit um über 80 Prozent auf rund 5.500 pro Jahr erhöht. Auch wurden bessere Rahmenbedingungen geschaffen.
Die Erhöhungen des Mindestpersonalschlüssels in den Jahren 2010 und zuletzt im Jahr 2020 mit der landesweiten Einführung der Leitungszeit tragen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fachkräfte und Qualitätsverbesserung in den Kitas bei. Seit der Einführung des SuE-Tarifs im Jahr 2005 stiegen die Gehälter für Erzieherinnen und Erzieher um über 63 Prozent überdurchschnittlich, zusätzlich wurde die Bezahlung der Kita-Leitungen verbessert. Insgesamt investieren Kommunen heute dreimal so viel in die Kindertagesbetreuung wie im Jahr 2007. Es gibt kaum Branchen, die vergleichbare Entwicklungen vorweisen können.
In den letzten Jahren zeigte sich jedoch immer deutlicher, dass der Platz- und Fachkräftebedarf schneller wächst, als der Ausbau voranschreiten kann und die Maßnahmen zur Personalbindung und -gewinnung nicht ausreichen. Folgen dieser Entwicklungen sind, dass immer mehr Familien kein bedarfsgerechtes Platzangebot in Sinne des Gesetzgebers erhalten, Öffnungszeiten reduziert werden müssen, Fachkräfte in den Kitas über Überlastung klagen und der weitere Ausbau ins Stocken geraten ist.
Der bestehende Rechtsanspruch kann leider vielerorts faktisch nicht mehr vollumfänglich gewährleistet werden. Dabei ist das keine Problematik, die mit der Größe der Gemeinde in Korrelation steht.

 

Buntstifte, Filzstifte, Radiergummi, Schere und buntes Papier liegen auf einem Tisch.

Buntstifte, Schere und buntes Papier liegen zum Malen und Basteln bereit. An Bastel- und Spiel-Material fehlt es in Kindergärten und Kitas nicht.

 

Vor dem Hintergrund des für voraussichtlich viele Jahre anhaltenden Fachkräftemangels und der örtlich sehr unterschiedlichen Ausprägungen der Auswirkungen, fordern wir für Träger mehr Handlungsoptionen sowie eine höhere Flexibilität, was die Besetzung von Stellen und die Unterstützung der vorhandenen Fachkräfte anbelangt. Daher haben wir die vom Land für das aktuelle Kindergartenjahr 2022/2023 festgelegten Maßnahmen des Kultusministeriums wie den Einsatz von geeigneten Kräften für bis zu 20 Prozent der Fachkraftanteile im Mindestpersonalschlüssel oder die Option, zwei Kinder pro Gruppe mehr aufzunehmen, begrüßt. Ebenso gehen die Anpassung der „Fachlichen Hinweise zur Sanitärausstattung in Kindertageseinrichtungen“ des Landesgesundheitsamts mit Ausnahmeregelungen aufgrund des derzeit erhöhten Platzbedarfs und die Ankündigung des KVJS-Landesjugendamtes, das Betriebserlaubnisverfahren zu vereinfachen, in die richtige Richtung.
Uns ist bewusst, dass diese Maßnahmen für die Einrichtungen eine Herausforderung darstellen. Sie sind jedoch wichtige Handlungsoptionen, die Kommunen und Träger brauchen, um schnell auf einen Mehrbedarf an Plätzen oder eine Unterbesetzung der Kita reagieren zu können.
Neben diesen Maßnahmen brauchen wir auch eine langfristig tragbare Strategie, um den anhaltenden Platz- und Fachkräftebedarf abzufedern, damit allen Kindern der Besuch einer Kita ermöglicht werden kann, Eltern ein verlässliches Betreuungsangebot bekommen und das pädagogische Personal in den Kitas mit Freude ihren Aufgaben gerecht werden kann.“

 

Kleines Mädchen bastelt an einem Bild, das an der Wand hängt.

Jedes Kind sollte eigentlich Anspruch auf einen Kita-Platz haben, aber dafür müssten erst genügend neue Stellen für Erzieher geschaffen werden.

 

 

Kontakt:
Gemeindetag Baden-Württemberg e.V.
Bettina Stäb, Leiterin der Stabsstelle „Frühkindliche Bildung und Soziales“
Panoramastraße 31
70174 Stuttgart
Tel.: +49 711 225 72-20
bettina.staeb@gemeindetag-bw.de
www.gemeindetag-bw.de/internet/themen/bildung-betreuung

 

Weitere Statements zum Thema von:
Walter Beyer, stellvertretender Landesvorsitzender des VBE in Baden-Württemberg
Marko Kaldewey, Landesvorsitzender des Deutschen Kitaverbandes in Baden-Württemberg

Wir bedanken uns ganz herzlich dafür!

 

_________________________

 

Diskutieren Sie mit!

 

Wie lässt sich die Kinderbetreuung in unseren Gemeinden und Städten attraktiver gestalten?
Wie können neue Erzieher gewonnen werden?
Welche Voraussetzungen müssten hierfür geschaffen werden?

Haben Sie selbst Erfahrungen in diesem Bereich?
Wir sind gespannt auf Ihre/Eure Statements!

 


... Kommunen & Bürger antworten

Redaktion KOMMUNALtopinform
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