Windkraftanlagen an einem Strand

11. März 2024

Wie Industrie und Gewerbe für Energiespeicher genutzt werden können?

Auch ohne direkte Anbindung an eine erneuerbare Erzeugungsanlage können Energiespeichersysteme zahlreiche Dienstleistungen für die Netzinfrastruktur liefern

Nach Ansicht von Beatrice Schulz, der Leiterin der Abteilung "Technologien und Märkte" beim Bundesverband Energiespeicher Systeme e.V., bergen Industrie und Gewerbe das nahezu größte Wachstumspotenzial für Speicherlösungen. Vom Bäcker über die Brauerei bis hin zur Stahlindustrie – an all diesen Orten seien Energiespeichersysteme sinnvoll einsetzbar. Neben der kostengünstigen Versorgung mit selbst erzeugter erneuerbarer Energie rund um die Uhr, könne die Effizienz und Qualität des Produktionsprozesses durch den Einsatz von Strom- und Wärmespeichertechnologien wesentlich erhöht werden.

 

Industrie und Gewerbe bieten ein riesiges Potenzial für Speicherlösungen

Portrait Beatricce Schulz

Beatrice Schulz ist Leiterin der Abteilung „Technologien und Märkte“ beim Bundesverband Energiespeicher Systeme e.V. Der 2012 gegründete Verband vertritt über 300 Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Organisationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Energiespeicherbranche.

Beatrice Schulz: „Man sollte nicht nur den Technologieaspekt im Auge behalten.“

„Unser Energiesystem basiert zunehmend auf erneuerbaren Energien. Doch diese Energiequellen sind nicht zu jeder Zeit verfügbar: Die Sonne scheint nicht in der Nacht, und auch der Wind weht nicht zu jeder Zeit. Es stellt sich die Frage: Wie gewährleisten wir, dass der Strom weiterhin aus der Steckdose kommt, wenn wir ihn brauchen? Die Antwort liegt in der Nutzung von Energiespeichern, die es ermöglichen, Energie zu einem späteren Zeitpunkt abzurufen, als sie erzeugt wurde. Sie sind somit eine Schlüsseltechnologie für die Energiewende mit wachsendem Bedarf.
Deutschland ist international Vorreiter in der Entwicklung von Energiespeichersystemen. Vom Pumpspeicher, über Batterien und Wasserstoff bis hin zum Wärmespeicher sind zahlreiche Speichertechnologien auf dem Markt verfügbar. Durch ihren gezielten Einsatz in verschiedenen Anwendungsbereichen tragen sie so zu Stabilität, Effizienz und einer kostengünstigen Energieversorgung in Haushalten, Industrie und Gewerbe und der Systeminfrastruktur bei. Hier werden wir in den kommenden Jahren einen Zubau von Energiespeichern sehen.
In Deutschland nutzen bereits mehr als eine Millionen Haushalte einen Batteriespeicher. Diese Haushalte können sich nahezu rund um die Uhr mit selbst erzeugter Energie vom Dach versorgen – für Elektrizität, Wärme und zunehmend auch zum Laden von Elektrofahrzeugen. Um eine kostengünstige und effiziente Nutzung von Wärmepumpen zu ermöglichen, ist ein Wärmespeicher ebenfalls Teil des Komplettpakets. Dies ermöglicht eine maßgeschneiderte lokale Versorgung von Einzelgebäuden oder sogar ganzen Quartieren mit erneuerbaren Energien. Energien vor Ort versorgen. Gemeinschaftliche Konzepte und Energiegemeinschaften könnten hier künftig noch mehr in den Vordergrund rücken.
Im Industrie- und Gewerbesektor birgt sich das nahezu größte Wachstumspotenzial für Speicherlösungen. Vom Bäcker über die Brauerei bis hin zur Stahlindustrie – an all diesen Orten sind Energiespeichersysteme sinnvoll einsetzbar. Neben der kostengünstigen Versorgung mit selbst erzeugter erneuerbarer Energie rund um die Uhr, kann (selbst ohne eigene Erzeugung vor Ort) die Effizienz und Qualität des Produktionsprozesses durch den Einsatz von Strom- und Wärmespeichertechnologien wesentlich erhöht werden. So können beispielsweise Hochtemperatur-Wärmespeicher Prozesswärme mit bis zu 1000 Grad aus erneuerbarem Strom bereitstellen, während Batterien zur Spitzenlastkappung eingesetzt werden. Dadurch wird der Betrieb zukunftssicher, ohne dabei die Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Für die bisher zumeist ungenutzte Abwärme gibt es ebenfalls Energiespeicherlösungen. Der mobile Wärmetransport mit thermischen Speichern eignet sich beispielsweise zur Beheizung vom Schwimmbad oder von öffentlichen Gebäuden vor Ort. Ein weiteres Beispiel stellt die saisonale Speicherung von Abwärme und weiteren Wärmequellen in groß skalierten Wärmespeichern dar, die mehr als 1000 Haushalte über Wärmenetze mit Wärme versorgen können. Insbesondere in Dänemark ist dies eine gängige Praxis, die auch in Deutschland im Zuge der kommunalen Wärmeplanung und des Ausbaus der Wärmenetze in den Fokus rückt.
Die Anbindung von Stromspeichern an PV- und Windparks gewinnt weiter an Bedeutung. So positionierte sich EnBW im vergangenen Jahr als das erste deutsche Energieunternehmen, welches künftig Solarparks grundsätzlich mit Batteriespeichern ausstatten wird. Dies minimiert den Bedarf zur Abregelung der Anlagen und trägt dazu bei, die Energie möglichst bedarfsgerecht bereitzustellen. Für Kommunen bietet die Kombination zudem die Möglichkeit, die Energie regional vor Ort besser zu nutzen.

Auch ohne direkte Anbindung an eine erneuerbare Erzeugungsanlage können Energiespeichersysteme zahlreiche Dienstleistungen für die Netzinfrastruktur liefern und Schwankungen im öffentlichen Versorgungssystem ausgleichen. Dies zeigen auch die mehr als 30 Pumpspeicherwerke in Deutschland sowie die in diesem Marktsegment installierten Großbatterien.
Gleiches gilt bei der Integration von Energiespeichern in die öffentliche Ladeinfrastruktur, welche die Bereitstellung von hoher Ladeleistung in kürzester Zeit ermöglicht. Die Kombination bietet die Möglichkeit zum schnellen Laden – auch von mehreren Fahrzeugen. Sie kann außerdem als Ergänzung oder als Ersatz für den Ausbau der Netzanschlüsse dienen. Zugleich kann der Speicher Dienstleistungen wie Blindleistung für das Stromnetz bereitstellen. Beim Ausbau der Speicherkapazität und -leistung sollte man nicht nur Technologieaspekt in den Blick nehmen. Viel mehr kommt es auf die jeweiligen Rahmenbedingungen vor Ort, die marktlichen Gegebenheiten und die zu bedienenden Anwendungen an. Erst mit Blick auf diese Faktoren kann eine sinnvolle Technologiewahl für den Einzelfall getroffen werden. Wirtschaftlich besonders interessant wird es oft, wenn eine Energiespeicheranlage gleichzeitig oder nacheinander verschiedene Anwendungen bedienen kann.
Im Rahmen einer Stromspeicherstrategie plant das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die bestehenden zentralen Hürden im Energierecht anzugehen, um den weiteren Ausbau nicht unnötig auszubremsen. Weitere Strategien für die Wärme- und Wasserstoffspeicherung sollten zeitnah folgen. Aktuelle Hemmnisse bestehen insbesondere in der überbordenden Bürokratie, langwierigen Genehmigungsprozessen sowie generell der oft unpassenden Anwendung von Regelwerken, die ursprünglich für die Energieerzeugung und den endgültigen Verbrauch – nicht aber für die Energiespeicherung – gedacht sind.“

 

Photovoltaik-Anlage auf dem Feld mit Traktor und Auto

 

Kontakt:
BVES Bundesverband Energiespeicher Systeme e.V.
Oranienburger Str. 15
10178 Berlin
Tel.: 49 30 54610 – 630
b.schulz@bves.de
www.bves.de

 

Weitere Statements zum Thema von:
Simon Schlichenmaier, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg
Gerhard Stryi-Hipp, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg
Michael Class, Leiter des Bereichs „Erzeugung und Portfolioentwicklung“ bei EnBW

Wir bedanken uns ganz herzlich dafür!

 

_________________________

 

Diskutieren Sie mit!

 

Für den Klimwandel ist es wichtig, dass erneuerbare Energien zum Einsatz kommen.
Doch wie kann man erneuerbare Energien in Zukunft besser speichern?
Durch welche Lösungen können wir bessere Speicher herstellen?

Haben Sie selbst Erfahrungen in diesem Bereich?
Wir sind gespannt auf Ihre/Eure Statements!


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Redaktion KOMMUNALtopinform
Verlag und Medienhaus Harald Schlecht
Auf dem Schildrain 8
78532 Tuttlingen

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17. April 2024


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