Wie bekommen Innenstädte einen neuen Aufschwung?
Stadt- und Ortszentren benötigen viel mehr und unterschiedliche Besuchsgründe
Rund 750 Innenstädte und Ortszentren von Kommunen ab einer Größe von 2500 Einwohnern haben in der ersten nationalen Innenstadt-Studie (imakomm, 2021) hunderte von guten Maßnahmen zur Innenstadt-Transformation genannt. Dabei zeichnen sich vier zentrale Ansätze ab, die Peter Markert vorstellt.
Innenstädte und Ortszentren haben Chancen
Peter Markert: „Strategieänderungen ermöglichen erfolgreiche Transformationen.“
„Zunächst ganz wichtig: Kommunen, gleich welcher Größe, haben tatsächlich Chancen! Auch wenn man es aktuell angesichts der ‚policrisis‘ aus Krieg in der Ukraine, hohen Energiekosten, Inflation, Klimawandel, Fachkräftemangel und vielem mehr nur schwer glauben mag.
Das Problematische: Bisherige Instrumente, die für eine Innenstadtbelebung angewandt wurden, sind zwar nach wie vor nötig und sinnvoll, sie verlieren aber an Wirkung. Ein Beispiel: Übliche Maßnahmen eines Leerstandsmanagements waren bisher etwa Online-Portale, in denen leer stehende Ladenlokale transparent dargestellt wurden, Schaufenster wurden einheitlich plakatiert und vieles mehr. Blickt man aber hinter die oft vielfältigen Motive für die Leerstände, so müssen zusätzliche Maßnahmen her, da bisher gastronomische Flächen nicht selten aus Mangel an Servicekräften leer stehen. Immobilieneigentümer von bisherigen Handelsflächen scheuen eventuell altersbedingt neue Investitionen, suchen eher Sicherheit und so weiter.
Soll eine Innenstadt diesen Herausforderungen erfolgreich begegnen, scheint zunächst ein grundsätzlicher Strategiewechsel nötig. Diesen sieht man bereits bei vielen Kommunen.
Zwei Beispiele:
1. Nicht Frequenz durch, sondern für den Handel: Die Zentren brauchen viel mehr und unterschiedliche Besuchsgründe: natürlich nach wie vor Einkaufen, Bummeln und (Außen)Gastronomie, aber auch Freizeitmöglichkeiten (Beispiel Bielfeld: „Tischtennisplatten in der Innenstadt“), niederschwellige Kulturangebote bis hin zu Probeflächen in der Innenstadt für Vereine, mehr Arbeitsmöglichkeiten (Coworking, Public Home-Office-Angebote), konsumfreie Treffpunkte, Bildungseinrichtungen und vieles mehr. Das Spannende: Der „Wohlfühlfaktor“ hängt natürlich von Begrünungselementen, attraktiven Gebäudefassaden, Beleuchtung, Raumkanten und ähnlichem ab. Er hängt aber auch und vor allem von einer Mischung von Menschen und Funktionen – also Besuchsgründen – ab.
2. Die Innenstadt als Gemeinschaftsprojekt: Ehrenamtlich getragenen Wirtschaftsvereinigungen wie Gewerbevereinen gehen schlichtweg die Akteure aus. Auch bei Kommunalverwaltungen sind Stellen vakant. Eine reine Maßnahmenliste zur Belebung der Innenstadt greift also ins Leere. Vielmehr müssen Innenstädte nun bei den Mitmachstrukturen und damit dem „Faktor Mensch“ ansetzen, soll eine Innenstadtstärkung gelingen. So sind beispielsweise Anreizsysteme für bisher wenig aktive Gewerbetreibende aufzubauen (nachahmenswerte Beispiele finden sich in Städten wie Ettlingen, Leinfelden-Echterdingen, Lohr am Main) Bisher wenig berücksichtigte Akteure sind einzubinden (von der Narrenzunft bis hin zu Schülern). Der Wohlfühlfaktor entsteht als auch durch gemeinsames Anpacken.
Der A-B-B-A-Ansatz als konkrete Orientierung bei der Transformation der Innenstädte und Ortszentren:
Rund 750 Innenstädte und Ortszentren von Kommunen ab einer Größe von 2500 Einwohnern hatten in der ersten nationalen Innenstadt-Studie (imakomm, 2021) hunderte von guten Maßnahmen zur Innenstadt-Transformation benannt. Dabei zeichnen sich vier zentrale Ansätze ab:
Agilere Strukturen schaffen: Dem „Faktor Mensch“ kommt künftig nicht nur als Besucher der Innenstadt, sondern vor allem als Mitgestalter eine viel größere Bedeutung zu. Kommunen können hierfür interdisziplinär besetzte, aber kleine Gruppen initiieren, die als Sparringspartner für das Kommunalparlament bei strittigen Fragen fungieren („Fußgängerzone ja/nein“) aber auch umsetzen und hierfür – unter bestimmten Bedingungen – eigene Budgets erhalten. Diese Ansätze werden gerade in vielen Kommunen erfolgreich erprobt. Ein Beispiel findet sich auch in der bayerischen Stadt Geretsried.
Belebungspotenziale als Ansatz: Mit der Rückkehr zu einer multifunktionalen Innenstadt bedarf es der Abkehr von der (reinen) Verkaufslogik. Kommunen definieren hierzu beispielsweise realistische Ansiedlungspotenziale bei „Funktionen“ mit unterschiedlichen Sogwirkungen (Dienstleistungsbetriebe, Bildungseinrichtungen, Wohnen…), leiten dann die notwendigen Erreichbarkeiten ab. Viel zu oft wurde dies in der Vergangenheit aber genau andersherum praktiziert. Kommunen kommt zudem eine aktive Rolle bei der Flächen- und Immobilienentwicklung zu. Anreiz- und Verpflichtungssysteme mit Immobilieneigentümern werden notwendig, um über Vereinbarungen zu Staffelmieten oder ähnliches flexiblere Mietpreismodelle zu ermöglichen – nur dann ist die Ausweitung des Angebotsmixes auch in Form von weniger renditeträchtigen Nutzungen überhaupt möglich. Ein „hartes Geschäft“, denn allein der Zugang zum jeweiligen Eigentümer gestaltet sich schwierig.
Besonderheiten auf-/ausbauen: Nicht Slogan, nicht Logo – sondern eine Fokussierung auf jene Merkmale einer Stadt, die tatsächlich erlebbar gemacht werden können und damit die Kommune einzigartig machen. Ob ganz neue Maßnahmen zur Innenstadtbelebung in der Burgstadt Parsberg, ob Gründer- und Unternehmerpreis in der Philipp-Matthäus-Hahn-Stadt Leinfelden-Echterdingen: Die Besonderheiten sind auszubauen und zu kommunizieren. Akteure der Innenstadt müssen also bisherige Maßnahmenprogramme (beispielsweise das „übliches Rahmenprogramm zum Verkaufsoffenen Sonntag“) kritisch hinterfragen und überarbeiten.
Ausbau als resilienter Stadtraum: Wohlfühlort bleibt eine Innenstadt nur dann, wenn sie Maßnahmen mindestens im Sinne der Klimaanpassung trifft. Bisher wenig mit Baumbestand beschattete Innenstädte wie das baden-württembergische Neckarsulm werden künftig viel stärker begrünt – tatsächlich mit Beschattung, aber auch via vertikalem Grün und Wasserspielangeboten für Familien mit Kindern. Resilienz betrifft aber auch Händler: Digitale Vertriebskanäle müssen ausgebaut werden (siehe einen Ansatz in der Stadt Herzogenaurach), um nicht nur stationär mit Kunden zu kommunizieren.“
Kontakt:
imakomm AKADEMIE GmbH
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www.imakomm-akademie.de
Weitere Statements zum Thema von:
– Martin Joos, Vorstandsvorsitzender der Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Baden-Württemberg e. V.
– Christian Bernreiter, Staatsminister im bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr
– Bernd Düsterdiek, Beigeordneter im Deutschem Städte- und Gemeindebund
Wir bedanken uns ganz herzlich dafür!
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